top of page

ProLitteris-Kopiervergütungen – Sicht eines Treuhänders

  • Autorenbild: Roman Brüngger
    Roman Brüngger
  • 16. Okt.
  • 12 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 17. Okt.

⚡️ TL;DR

Die ProLitteris-Rechnung ist grundsätzlich rechtlich begründet und zu bezahlen. Ob und wie viel Ihr Unternehmen zahlen muss, hängt von Ihrer Branche und Betriebsgrösse ab:

  • Haben Sie ein Meldeformular erhalten? Sie sind verpflichtet das Formular wahrheitsgetreu auszufüllen. Je nach Branche oder Anzahl Stellen sind Sie aber eventuell sogar befreit. Sie erfahren es, sobald Sie eine Rechnung erhalten (oder eben keine).

  • Freigrenzen nach Branche: Viele Branchen profitieren von einer Freigrenze bis zu 14 Vollzeitäquivalenten (FTE) – Betriebe unter dieser Schwelle sind befreit (siehe GT 8-Tarif).

  • Keine Freigrenze gewisse Dienstleister: Treuhänder, Anwälte und ähnliche wissensintensive Dienstleister zahlen ab dem ersten Mitarbeiter – mindestens CHF 32.– pro Jahr (siehe GT 8-Tarif).

  • 0-Stellen Deklaration: Unternehmen ohne Personal und ohne aktive Geschäftstätigkeit sollten 0 Stellen deklarieren, um die Vergütungspflicht zu umgehen, und können dabei angeben, dass die Verwaltung ein Treuhandbüro o.ä. übernimmt.

  • Grössere Unternehmen (über 14 FTE): Hier steigen die Tarife entsprechend der Mitarbeiterzahl und der Branche deutlich an.

Einleitung

Viele Geschäftsführer kleiner Schweizer Unternehmen sind verunsichert, weil sie in letzter Zeit Post von ProLitteris erhalten haben. Dabei handelt es sich um Rechnungen für Kopiervergütungen nach dem gemeinsamen Tarif 8 (GT 8) – selbst dann, wenn die Firma gar keinen Fotokopierer besitzt oder ausschliesslich digital arbeitet. Manche Empfänger vermuten zunächst sogar einen Betrugsversuch. Doch diese Gebühreneinzüge sind gesetzlich vorgesehen und rechtmässig¹. ProLitteris ist die offiziell vom Bund konzessionierte Verwertungsgesellschaft für Text- und Bildurheberrechte und zieht im Auftrag aller Rechteinhaber pauschale Vergütungen für Kopien ein¹. Grund für diesen Beitrag ist die Häufung von Kundenanfragen zu genau diesem Thema. Als Treuhänder mit unternehmensfreundlicher Haltung möchten wir Klarheit schaffen, warum solche Rechnungen verschickt werden und wie darauf zu reagieren ist. Denn tatsächlich fragen sich viele KMU, ob sie wirklich zahlen müssen – gerade wenn sie weder Drucker noch Angestellte haben und primär digital arbeiten.

Im Folgenden beantworten wir die wichtigsten Fragen rund um die Rechtmässigkeit und Handhabung der ProLitteris-Kopiervergütung aus Sicht eines Schweizer Treuhänders.

Zentrale Fragen eines Treuhänders

  • Was ist die rechtliche Grundlage für diese Gebühren?

  • Warum werden auch Kleinstunternehmen ohne Geräte oder ohne Angestellte belastet?

  • Darf ProLitteris solche Rechnungen überhaupt stellen – ist das legitim?

  • Wie kann man prüfen, ob man zahlen muss oder ob eine Befreiung möglich ist?

  • Warum war es in den letzten Jahren relativ still um dieses Thema, und weshalb tauchen jetzt wieder Rechnungen von ProLitteris auf?

Im nächsten Abschnitt werden diese Punkte detailliert beleuchtet.

Rechtliche Grundlage: Urheberrechtsgesetz und gemeinsamer Tarif 8

Die Pflicht zur Zahlung von Kopiervergütungen beruht auf dem Schweizer Urheberrechtsgesetz (URG). Dieses erlaubt zwar gewisse Ausnahmen für Vervielfältigungen im kleinen Rahmen – etwa Privatkopien oder den sogenannten betrieblichen Eigengebrauch für interne Information und Dokumentation in Unternehmen. Konkret dürfen veröffentlichte Werke für den Eigengebrauch in drei Bereichen verwendet werden (privat, schulisch und betrieblich)². Geschäftsinterne Kopien – ob auf Papier oder digital – sind also zunächst erlaubt, jedoch ersetzt das Gesetz das ausschliessliche Recht der Urheber in diesen Fällen durch einen Vergütungsanspruch². Das heisst, obwohl kein individueller Kopierlizenzvertrag abgeschlossen wird, steht den Urhebern eine pauschale Entschädigung zu. Art. 19 URG definiert diese erlaubten Nutzungen (u.a. das analoge oder digitale Kopieren in Betrieben zu Informationszwecken), und Art. 20 URG verpflichtet im Gegenzug zur Zahlung einer Vergütung an die Urheber für diese Kopien (eine gesetzliche Lizenz). Die Abwicklung dieser Entschädigungen erfolgt zwingend kollektiv über dafür bestimmte Verwertungsgesellschaften². Für Text- und Bildwerke ist dies ProLitteris, die als Bundesautorisiertes Organ fungiert¹. Art. 51 URG begründet dabei eine Auskunftspflicht der Werknutzer gegenüber den Verwertungsgesellschaften: Unternehmen sind gesetzlich verpflichtet, den Gesellschaften die zur Berechnung nötigen Angaben zu machen (z.B. Mitarbeiterzahl, Branche usw.)¹.

Die konkreten Tarife und Bedingungen, nach denen diese Vergütung erhoben wird, sind im Gemeinsamen Tarif 8 (GT 8) festgelegt. Dieser Tarif wurde von ProLitteris zusammen mit anderen Verwertungsgesellschaften und Nutzerverbänden (z.B. dem Gewerbeverband) ausgehandelt und von der Eidgenössischen Schiedskommission genehmigt³. Einmal genehmigte gemeinsame Tarife sind für alle betroffenen Nutzer verbindlich². GT 8 regelt die Vergütung für Kopien in Unternehmen und Organisationen (früher gab es getrennte Tarife für Papier und Digital, die nun vereinheitlicht wurden)³. Gerichte – bis hin zum Bundesgericht – haben die Verbindlichkeit und Rechtmässigkeit dieser Regelungen in den letzten Jahren mehrfach bestätigt²⁴. Fazit: Die Rechnungen von ProLitteris haben eine solide gesetzliche Grundlage. Jedes Unternehmen hat grundsätzlich entweder eine Zahlungs- oder zumindest Meldepflicht, sobald urheberrechtlich relevante Vervielfältigungen im Betrieb möglich sind.

Welche Geräte und Kopien sind erfasst?

Viele Kleinunternehmer wundern sich, warum sie zur Kasse gebeten werden, obwohl sie keinen Kopierer im Büro stehen haben. Wichtig zu wissen ist: Die Vergütungspflicht knüpft nicht nur an klassische Fotokopierer an, sondern umfasst alle Geräte, die geschützte Werke vervielfältigen können. Dazu zählen Drucker, Scanner, multifunktionale Kopiergeräte – aber eben auch Computer, Laptops, Smartphones oder andere digitale Geräte, sofern darüber z.B. digitale Kopien, Scans, Ausdrucke oder Speichervorgänge von urheberrechtlich geschütztem Material stattfinden können. Entscheidend ist die Möglichkeit, Kopien herzustellen – nicht, ob und wie oft dies tatsächlich geschieht¹. Das Urheberrecht stellt also auf das potentielle Kopieren ab: Ein Vergütungsanspruch besteht bereits, wenn im Betrieb die technischen Voraussetzungen zum Kopieren vorhanden sind¹.

Beispiel: Ein Unternehmen, das mindestens zwei vernetzte Computer (ein internes Netzwerk) betreibt, fällt bereits unter die Regelung – auch wenn kein separates Kopiergerät vorhanden ist¹. Ebenso gilt ein einzelner PC mit Internetzugang praktisch als Gerät zum digitalen Kopieren (man denke an das Speichern oder Ausdrucken von Online-Artikeln). Keine Rolle spielt, ob im konkreten Betrieb tatsächlich urheberrechtlich geschütztes Material kopiert wurde oder nicht¹. Das System der ProLitteris-Tarife arbeitet bewusst mit Pauschalen auf statistischer Basis anstatt jedes einzelne Kopieren zu erfassen². Kurz gesagt: Rein digitale Arbeitsweise schützt nicht vor der Abgabe, denn auch digitale Vervielfältigungen (Downloads, Screenshots, PDF-Kopien etc.) sind rechtlich Kopien. Allerdings gibt es Ausnahmen und Schwellenwerte, auf die wir gleich eingehen.

Meldepflicht der Unternehmen: aktives Deklarieren erforderlich

Unternehmen, die von ProLitteris kontaktiert werden, sind gesetzlich verpflichtet, Auskunft zu erteilen¹. Dies erfolgt praktisch durch das Ausfüllen des Meldeformulars von ProLitteris (heute meist online über das ProLitteris-Portal). Darin müssen relevante Angaben gemacht werden – insbesondere die Anzahl Vollzeitstellen (FTE) im Unternehmen und die Branche/Zweig der Geschäftstätigkeit. Wichtig: Das Zurückschicken des Formulars bedeutet nicht zwangsläufig, dass man zahlen muss¹. ProLitteris ermittelt anhand der Meldung, ob und in welcher Höhe eine Vergütung geschuldet ist.

Betriebe, die sehr klein sind oder keine relevanten Geräte nutzen, können unter Umständen zahlungsbefreit sein – doch sie müssen dies eben durch Deklaration anzeigen. Wer die Meldung ignoriert, dem droht eine Einschätzung nach Ermessen durch ProLitteris: Die Gesellschaft darf die nötigen Werte dann schätzen und auf dieser Basis eine Rechnung stellen¹. Unterlässt der Betrieb auch danach einen Widerspruch innerhalb der vorgegebenen Frist, gilt die Schätzung als anerkannt und die Rechnung wird fällig¹. Es empfiehlt sich daher dringend, das Formular fristgerecht und wahrheitsgetreu auszufüllen. ProLitteris gewährt eine Nachfrist, falls Angaben fehlen, bevor sie zur Schätzung greift⁵. Sollte man eine zu hohe Schätzung erhalten haben, kann man Einspruch einlegen und die korrekten Daten nachreichen – aber dies muss rechtzeitig geschehen. Meldet ein Betrieb erst nach Fristablauf z.B., dass gar kein Kopiergerät oder internes Netzwerk vorhanden ist, werden solche Korrekturen erst für die Zukunft berücksichtigt¹. Das zeigt: Transparenz und proaktive Meldung sind entscheidend, um nicht unnötig zur Kasse gebeten zu werden.

Branchen und Freigrenzen: Wer muss zahlen?

Nicht jedes Unternehmen muss automatisch zahlen – das System kennt branchenspezifische Freigrenzen. Der GT 8 unterscheidet verschiedene Branchen/Sektoren und ordnet ihnen statistisch ermittelte Kopierraten zu. Entsprechend gibt es drei Vergütungsstufen für die jährliche Grundvergütung pro Vollzeitstelle³:

  • Stufe 1 (CHF 3.20 pro Stelle/Jahr): Branchen mit vergleichsweise wenig Kopien – das umfasst den gesamten Sektor Industrie/Gewerbe (produzierendes Gewerbe, Handwerk etc.) sowie einige Dienstleistungs- und Handelsbranchen mit geringer Kopierintensität³.

  • Stufe 2 (CHF 5.20 pro Stelle/Jahr): die meisten Branchen im Sektor Dienstleistung/Handel, die einen mittleren Kopierbedarf aufweisen³.

  • Stufe 3 (CHF 8.20 pro Stelle/Jahr): ausgewählte Dienstleistungsbranchen mit relativ viel Kopiertätigkeit³ (klassische wissensintensive Bürotätigkeiten – Beispiele kommen gleich).

Unabhängig von der genauen Branche kennt der Tarif zudem eine Mindestvergütung von CHF 32 pro Jahr für jedes Unternehmen³. Mit anderen Worten: Selbst wenn nach Mitarbeiteranzahl × Satz weniger herauskäme, sind mindestens 32 Franken zu bezahlen. Dieser Mindestbetrag wurde übrigens mit dem neuen GT 8 (Stand 2023) sogar gesenkt – vorher lag er bei CHF 46.50³. Obergrenzen gibt es ebenfalls: Sehr grosse Unternehmen profitieren ab 1001 Mitarbeitern von einem reduzierten Einheitssatz (ab dem 1001. Mitarbeiter immer CHF 3.20)³, und plötzliche Sprünge werden durch eine Deckelung (max. +10 % gegenüber 2020 bei bestehenden Zahlern) abgemildert³.

Freigrenze

Für viele kleinere Betriebe besonders relevant ist die Freigrenze: In zahlreichen Branchen gilt nun einheitlich eine Freigrenze bis 14 Vollzeitstellen³. Das bedeutet, ein Betrieb dieser Branchen mit 14 oder weniger Mitarbeitenden schuldet keinerlei Grundvergütung (CHF 0)³. Überschreitet die Firma diese Schwelle (15 und mehr FTE), entfällt die Befreiung und die volle Grundvergütung wird fällig – ab dem ersten Mitarbeiter. Diese Freigrenze soll Kleinstbetriebe in Branchen mit geringem Kopiervolumen entlasten. Beispiele: Ein Malerbetrieb im Baugewerbe mit 15 Angestellten zahlte bislang ca. 45 Fr. pro Jahr; arbeitet der Betrieb mit weniger Leuten, fiel bisher keine Gebühr an¹. Nach neuem Tarif ist die Grenze nun fix 14 Mitarbeiter für alle begünstigten Gewerbe³ – ein Handwerksbetrieb mit z.B. 12 Mitarbeitenden im Detailhandel oder Gewerbe zahlt weiterhin nichts, solange er unter der 14er-Grenze bleibt⁵ (für Detailhandel gilt Stufe 1 und Freigrenze 14).

Wichtig: Nicht alle Branchen profitieren von dieser Freigrenze. Branchen ohne Freigrenze müssen ab dem ersten Mitarbeiter zahlen⁵. Welche sind das? Im Wesentlichen Branchen, bei denen erfahrungsgemäss sehr viel kopiert wird (oder wurde) – dazu gleich mehr. Zunächst ein Überblick typischer Fälle:

  • Beispiel: Produktionsbetrieb (Industrie) mit 30 Stellen – Branche Industrie/Gewerbe (Stufe 1, CHF 3.20). Freigrenze 14 greift hier, aber da 30 > 14, entfällt die Befreiung komplett. Rechnung: 30 × 3.20 = CHF 96 Grundvergütung pro Jahr⁵.

  • Beispiel: kleiner Dienstleister (z.B. Coiffeur, Sportverein) mit 5 Stellen – Branche zu Stufe 2, aber Freigrenze 14 vorhanden (Sport/Coiffeur haben Freigrenze). 5 < 14, somit keine Vergütung geschuldet (0 CHF) – es reicht die Meldung an ProLitteris, aber es kommt keine Rechnung.

  • Beispiel: Micro-GmbH im beratenden Bereich mit 5 Stellen – Branche "übrige Dienstleistungen", angenommen Stufe 2, aber ohne Freigrenze. Rechnung: 5 × 5.20 = 26 CHF, da jedoch Mindestbetrag 32 CHF, am Ende CHF 32 zu zahlen⁵.

  • Beispiel: Beratungs-AG (Treuhand/Anwalt) mit 18 Stellen – Branche wissensintensiv (Stufe 3, keine Freigrenze). Rechnung: 18 × 8.20 = CHF 147.60 pro Jahr⁵.

  • Beispiel: Grosskonzern-Einheit mit 1050 Stellen – ab 1001. Stelle nur 3.20 berechnet. Rechnung: 1000 × (je nach Branche, z.B. 5.20) + 50 × 3.20 – aber dank Deckelung würde bei einem bereits zahlenden Unternehmen hier maximal +10% ggü. 2020 auftreten⁵.

Wissensintensive Branchen: Keine Freigrenze ab dem ersten Mitarbeiter

Wie oben angedeutet, sind bestimmte Dienstleistungsbranchen von der Freigrenze ausgenommen. Dazu zählen vor allem wissensintensive oder bürozentrierte Berufe, in denen traditionell viel kopiert oder mit Texten gearbeitet wird. Im GT 8 werden beispielsweise genannt⁵:

  • Rechtsanwälte und Notariate

  • Treuhandbüros, Revisionsgesellschaften (Wirtschaftsprüfung)

  • Inkasso- und Unternehmensberatungen

  • Immobilienverwaltungen

  • Banken und Finanzinstitute, Versicherungen

  • Informatikunternehmen

  • Ärzte und Spitäler (sowie teils Verbände, Kulturbetriebe, je nach Ziffer)

  • Telekommunikationsanbieter

  • sowie allgemein “übrige Dienstleistungsunternehmen”, die nicht in freibefreite Kategorien fallen.

In all diesen Bereichen gibt es keine 14er-Freigrenze⁵ – hier ist ab dem ersten vollzeitäquivalenten Mitarbeiter eine Vergütung fällig. Dass z.B. Anwaltskanzleien schon mit 1 Angestellten zahlen müssen, ist vom Gesetzgeber bewusst so vorgesehen¹, weil dort die interne Vervielfältigung (Aktenkopien, juristische Dokumente etc.) als vergleichsweise umfangreich gilt. Für solche Betriebe greift nur die generelle Mindestpauschale von CHF 32, falls sie sehr klein sind (beispielsweise eine Ein-Personen-Kanzlei würde lediglich CHF 32/Jahr zahlen, auch wenn 1×8.20 rechnerisch weniger wäre).

Diese Unterscheidung mag im digitalen Zeitalter antiquiert erscheinen – ein Startup ohne Papier kann sich fragen, ob es wirklich mehr “kopiert” als ein Handwerksbetrieb. Doch die Tarifstruktur basiert auf statistischen Durchschnittswerten vergangener Erhebungen³. Branchen wie Baugewerbe oder Detailhandel wurden von solchen Untersuchungen als kopierarm eingestuft und daher mit Freigrenzen versehen¹, während bei Kanzleien, Treuhändern und Co. eine ständige Kopiernutzung angenommen wird. Für den einzelnen Betrieb kann das im Einzelfall ungerecht wirken, aber das System funktioniert als Pauschalregelung. Immerhin wurde mit GT 8 eine Vereinfachung erreicht: Die Freigrenze ist jetzt, wo sie gilt, für alle relevanten Branchen einheitlich bis 14 Stellen³ – früher gab es unterschiedliche Schwellen je nach Branche, was kompliziert war³.

Noch ein Hinweis: Wissensintensive Kleinstunternehmen, die faktisch keinerlei eigene Infrastruktur haben (z.B. ein Einzelberater, der nur beim Kunden vor Ort arbeitet), können eventuell von der Kein Kopiergerät-Regel profitieren (siehe nächster Abschnitt). Grundsätzlich aber gilt: Branche ohne Freigrenze = ab erster Stelle zahlungspflichtig, zumindest den Mindestbetrag.

Umgang mit dem Formular: Nullstellen-Deklaration und externe Betreuung

Was sollte man nun konkret tun, wenn man ein Schreiben von ProLitteris erhält? Zunächst: Ruhe bewahren und Formular sorgfältig ausfüllen. Je nach Unternehmenssituation ergeben sich unterschiedliche Strategien:

Falls Ihre Firma gar keine Angestellten beschäftigt (0 Vollzeitstellen) – etwa bei einer Ein-Mann-GmbH ohne weitere Mitarbeiter – sollten Sie im Formular “0 Stellen” deklarieren. Damit zeigen Sie an, dass es keine Beschäftigten gibt, die im betrieblichen Eigengebrauch kopieren könnten. Wichtig ist in diesem Fall zusätzlich, anzugeben, dass kein eigenes Kopiergerät oder internes Netzwerk zur Verfügung steht¹. In der Praxis kreuzt man häufig eine entsprechende Option an (Stichwort “Kein Kopiergerät”-Erklärung)⁵. Weiterhin empfiehlt es sich, im Formular zu vermerken, dass die Firma administrativ von einem externen Treuhandbüro betreut wird (falls zutreffend). Warum dieser Hinweis? Er untermauert, dass keine interne Infrastruktur für Vervielfältigungen vorhanden ist – Buchhaltung, Ablage etc. werden extern erledigt. Mit diesen Angaben kann ProLitteris Ihren Betrieb in der Regel als nicht vergütungspflichtig einstufen. Sie hätten dann zwar Ihrer Auskunftspflicht genügt, würden aber keine Rechnung erhalten. Sollte dennoch eine Rechnung kommen, wäre umgehend Einspruch einzulegen mit Verweis auf die gemeldeten Umstände.

Für KMU mit bis zu 14 Mitarbeitenden gilt: Prüfen Sie anhand Ihrer Branche, ob eine Freigrenze greift. Wenn Ihr Unternehmen in einem begünstigten Gewerbe tätig ist (Industrie/Gewerbe oder bestimmte Dienstleister mit Freigrenze) und Sie 14 oder weniger Vollzeitäquivalente haben, dann schulden Sie keine Zahlung – das sollte auch so aus der Berechnung von ProLitteris hervorgehen. Sie müssen aber trotzdem das Meldeformular einreichen, damit ProLitteris Sie korrekt einordnet¹. Sollte Ihnen irrtümlich eine Rechnung gestellt werden, können Sie auf Ihre Angaben (Branche, Mitarbeiterzahl) verweisen. Liegen Sie jedoch über der 14er-Grenze bzw. gehört Ihre Branche zu denen ohne Freigrenze, dann führt kein Weg an der Zahlung vorbei. In diesem Fall empfehlen wir, die Rechnung fristgerecht zu begleichen. Die Tarife sind – bei allem Unmut über Zusatzabgaben – relativ moderat (z.B. CHF 3.20 pro Mitarbeiter in vielen Branchen, das sind 27 Rappen pro Monat und Person)⁶. Für Kleinstfirmen in zahlungspflichtigen Branchen fällt oft nur der Mindestbetrag von CHF 32 an⁶. Zahlen Sie die Gebühr und verbuchen Sie es als Aufwand, der Ihnen Rechtssicherheit gibt: Damit sind sämtliche internen Kopiervorgänge pauschal abgedeckt² und Sie müssen keine urheberrechtlichen Bedenken haben.

Gleichzeitig dürfen Sie als liberal denkender Unternehmer natürlich die Sinnhaftigkeit mancher Regelungen hinterfragen. Warum z.B. sollten digital arbeitende Einzelfirmen denselben Mindestbetrag zahlen müssen wie papierintensive Büros? Hier lohnt es sich, sich für künftige Reformen zu engagieren – etwa über Branchenverbände oder politische Kanäle. Der GT 8 wurde zwar erst kürzlich vereinfacht, aber die technologische Entwicklung geht weiter. Eine konstruktive Stimme der Wirtschaft kann helfen, zukünftige Tarifanpassungen unternehmensfreundlicher zu gestalten. Bis dahin gilt jedoch: die aktuelle Rechtslage akzeptieren und das Beste daraus machen.

Warum plötzlich wieder ProLitteris-Rechnungen?

Abschliessend zur oft gestellten Frage, wieso dieses Thema jetzt wieder hochkocht, wo man doch jahrelang nichts mehr davon hörte. Tatsächlich gab es schon in der Vergangenheit Wellen von ProLitteris-Anschreiben – etwa um 2008/2009 wurden zehntausende Firmen erstmals zur Meldung aufgefordert¹. Viele Kleinunternehmer zeigten sich damals ähnlich überrascht und reagierten teils gar nicht, was in Mahnungen und Zwangseinschätzungen gipfelte¹. Nach dieser ersten grossen Runde kehrte etwas Ruhe ein. In den Folgejahren war die Kopiervergütung zwar weiterhin gültig, aber sie rückte kaum in den Vordergrund – möglicherweise, weil die meisten etablierten Firmen ihre Verträge geregelt hatten und Neugründungen routinemässig informiert wurden.

Jetzt, 2023, kommt das Thema wieder vermehrt zur Sprache, weil ein neuer GT 8-Tarif in Kraft getreten ist³. Dieser zum 1.1.2023 umgesetzte Tarif brachte einige Änderungen mit sich: Die Zusammenlegung von Papier- und Digitalvergütung, neue einheitliche Freigrenzen und ein gesenkter Mindestbetrag³. ProLitteris bewirbt den neuen Tarif als „klarer und einfacher“³ – und in diesem Zuge erfolgt offenbar eine verstärkte Ansprache der Unternehmen, um die jährlichen Meldungen nun nach dem neuen Schema einzuholen. Unternehmen, die vielleicht seit Jahren nichts mehr direkt von ProLitteris hörten, erhalten nun wieder Briefe, um die aktuellen Daten zu erfassen. Kurz gesagt: Die Regelung ist nicht neu, aber sie wurde reformiert und wird nun wieder aktiver durchgesetzt. Wer bislang unter dem Radar flog (etwa junge Kleinunternehmen in digitalen Branchen), wird jetzt erfasst, weil GT 8 alle Organisationsformen – ob analog oder digital – abdeckt³.

Zudem hat die Revision des URG im Jahr 2020 an diesen Vergütungsansprüchen nichts geändert⁷, sodass ProLitteris auf bewährter Rechtsgrundlage weitermachen kann. Die Corona-Pause mag zwischenzeitlich für etwas Stillstand gesorgt haben, doch nun zieht ProLitteris die Zügel wieder an, um die Vergütungen vollständig einzusammeln. Für die betroffenen KMU heisst das: Die Thematik wird uns erhalten bleiben, und man tut gut daran, sich damit vertraut zu machen und die Minimalaufwände (Meldung, ggf. kleine Jahresgebühr) als Teil des Geschäftsbetriebs zu akzeptieren.

Fazit

Die Rechnungen von ProLitteris sind kein Betrug, sondern ein Resultat der Schweizer Urheberrechtsordnung. Die Kosten sind überschaubar und nach Branchen gestaffelt, Kleinstfirmen vieler Branchen sind sogar komplett befreit. Treuhänderisch beraten wir: Erledigen Sie die Formalitäten sauber (Meldung, Prüfung der Geräte/Mitarbeiter-Situation) und zahlen Sie, falls fällig, fristgerecht den obulus. So vermeiden Sie Mahngebühren oder Rechtsnachteile. Als Unternehmer dürfen Sie gleichzeitig kritisch hinterfragen, ob das System noch zeitgemäss ist, und Ihre Stimme für zukünftige Anpassungen einbringen. Bis zu einer möglichen Reform aber gilt: GT 8 ist geltendes Recht, und ProLitteris handelt im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrags.

Quellenverzeichnis

  1. Eidgenössisches Institut für Geistiges Eigentum (IGE): Post von ProLitteris – Kopiervergütungen. Erläuterungen auf ige.ch zur gesetzlichen Grundlage der Kopiervergütung

  2. Kübler, Philip (Direktor ProLitteris): Internes Kopieren: Warum zahlen – und wieviel? (Medialex 11/2021). Fachartikel zur Urheberrechtslage, zusammengefasst online bei medialex.ch, insbesondere zur gesetzlichen Lizenz und gerichtlichen Bestätigung der Tarife.

  3. ProLitteris: Kopiervergütungen der Unternehmen: Klarer und einfacher ab 2023. Medienmitteilung vom 22.12.2022, abrufbar auf prolitteris.ch.

  4. ProLitteris (Philip Kübler): Memo GT 8 (Kopiervergütungen), Stand 01.01.2023. Zusammenfassung der wichtigsten Bestimmungen des gemeinsamen Tarifs 8 (PDF auf prolitteris.ch).

  5. Goldblum & Partners: Wissensdatenbank – ProLitteris: Was Unternehmen in der Schweiz über Pflicht, Berechnung, Ausnahmen und Einsprachen wissen müssen, 29.08.2025. Übersicht mit Branchentabelle und Beispielen (online bei goldblum.ch).

  6. ProLitteris: FAQ Kopiervergütungen GT 8. Online-Hilfe auf prolitteris.ch (Stand 2023) – enthält Angaben zu Tarifsätzen (z.B. CHF 3.20 pro Mitarbeiter/Jahr, CHF 32 Mindestbetrag) und Freigrenzen.

  7. K-Tipp: Muss ich Urheberrechtsgebühren zahlen? (Artikel über einen Handwerksbetrieb, der eine ProLitteris-Rechnung erhielt).

  8. Beobachter (Michael Krampf): Keine Abzocke bei Rechnungen. Beobachter-Artikel vom 15.02.2010, der Kleinunternehmer beruhigt und die Rechtmässigkeit der ProLitteris-Gebühren erläutert (mit Beispielen für Betriebe).


Sichern Sie sich jetzt 44% Rabatt auf Ihr Bexio-Paket im ersten Jahr!

Nutzen Sie unseren exklusiven Gutscheincode für bexio rombro44 und sparen Sie bei Ihrer Buchhaltungssoftware.


Kommentare


bottom of page